Der Tukan
Oekologische Bedeutung der Guarana-Augen
von Prof. Dr. Thomas W. Baumann, Universität Zürich
Im Leben der Pflanzen nimmt die Artverbreitung häufig eine zentrale Stellung ein, was wir auch daran erkennen, dass von der Pflanze mitunter grosse Investitionen in die Verbreitungseinheit (meist Same oder Frucht) getätigt werden. Die Investitionen und damit verbundenen Strategien sind manchmal so gezielt, dass wir darüber nur staunen können, wie die Pflanze es fertigbringt, die richtigen Partner zu begünstigen und die andern auf der Strecke zu lassen.
Hiefür ist die Guaraná ein Paradebeispiel: Der Blütenstand, botanisch ein Thyrsus, steht senkrecht in den Himmel. Mit seiner Entwicklung zum Fruchtstand geht eine starke Gewichtszunahme einher, sodass die reife Traube schliesslich nach unten hängt. Der Lianenast ist relativ schmal und bietet kaum eine Plattform für Säuger, um nach den harten Samen zu angeln. Sie sind eindeutig zu gross für kleine Vögel, aber der Fruchtstand 'sendet' dennoch die Signale, welche bevorzugt Vögel ansprechen (bird dispersal syndrome) (van der Pijl 1982), (Howe 1986): Das kräftige Rot-Orange der Fruchthülle, die starken Farbkontraste ('glänzende schwarze Pupille und Augenweiss') der Samen, der fehlende Geruch und die winkende Belohnung (s. unten).
Aus der Literatur sind zwei Vogelgruppen bekannt (Gonçalves 1971), die sich in ihrem Verbreitungsgebiet an Guaraná gütlich tun: Tukane (Ramphastos spp.) und Hokkohühner (Penelope spp.). Letztere krallen sich an den Lianenast und baumeln mit dem Kopf nach unten, wobei sie aus dieser Lage alle Samen eines Fruchtstandes problemlos erreichen können. Tukane sind bekannt für ihren langen überdimensionierten Schnabel, mit welchem sie stehend vom Ast aus bequem jede Frucht erreichen. Wir konzentrieren uns im folgenden auf das Verbreitungsgeschäft der Tukane und fragen uns dabei, welcher Art die Belohnung sei, und weshalb keine Vergiftung stattfinde, obschon bekanntlich Guaraná-Samen eine natürliche Coffeinbombe darstellen. Zu diesem Zweck analysierten wir den ganzen reifen Fruchtstand mithilfe chemischer und biochemischer Methoden. Zudem simulierten wir im 'Erlenmeyer' die Bedingungen (pH und Temperatur) des Kropfes und des Muskelmagens um herauszufinden, wieviel Coffein ganze oder aufgeknackte Samen jeweils abgeben würden. Zusammenfassend ergaben sich die folgenden überraschenden Resultate (Baumann et al. 1995b): Das 'Augenweiss', der Arillus also, enthält als einziges Gewebe des gesamten Fruchtstandes kein Coffein; über 60 % seines Trockengewichtes sind hingegen Traubenzucker und Fruchtzucker im Verhältnis 1:1. Im künstlichen Vogelmagen löst er sich bald vom Samen und wird zu einer feinen Zellsuspension. Im Gegensatz zum aufgebrochenen Samen, welcher innert kürzester Zeit einen erheblichen Teil seines Coffeins abgibt, besitzt der intakte Samen eine wirksame Coffeinbarriere. Sie besteht vermutlich aus den eingangs erwähnten Gerbstoffen (Marx 1990), welche in der Samenschale das Coffein so stark binden, dass es praktisch den Samen nicht verlassen kann.
Tukane sind bekannt dafür, dass sie innert kürzester Zeit eine grosse Zahl von Samen (4-7 % ihres Körpergewichtes) verschlingen, dann an einen ruhigen, sicheren Ort fliegen, wo sie nach 15 bis 25 min diese aus ihrem Kropf würgen (Howe and Vande Kerckhove 1981).Unsere Studien haben gezeigt, dass intakte Samen in keinem Fall, also auch wenn diese in den Muskelmagen gelangen sollten, nennenswerte Coffeinmengen abgeben. Aufgebrochene Samen andrerseits würden zu schweren Vergiftungserscheinungen führen (Baumann and others 1995b), die der Tukan vermeidet, indem er äusserst behutsam mit den Guaraná-Samen umgeht - dies vielleicht ein leiser Wink für uns Menschen, den erstaunlichen und delikaten Verwebungen der Natur mit Sorgfalt zu begegnen.
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Der Tucan - Verbreiter der Guaraná Samen |
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Blatt im Amazonas Regenwald |
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Tropischer Himmel |
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Bei den Satere Mawe |
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